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Der Mittelpunkt der Welt

Altaussee im Schaffen de aus Wien stammenden New Yorker Malerin Charlotte Lichtblau

 

Die aus Wien stammende New Yorker Malerin Charlotte Lichtblau leidet an der >>Ausseer Krankheit<<: Circa ein Drittel ihrer oft groflächigen Ölgemälde setzen sich mit dem Ort Altaussee auseinander, im Wesen jedoch alle.

 

            Kein Einzelschicksal: Geboren 1925 in Wien, assimiliert-jüdische Familie, alljahrliche Sommerfrische in Altaussee, Vertreibung und Flucht 1938, Asyl gefunden in New York – die Kunsthistorikerin und Malerin Charlotte Lichtblau

            

            >>Ich habe das Pech gehabt, da ich in Altaussee als Kind war<<, meint die Künstlerin in einem Gespräch. Sie leidet an der >>Ausseer Krankheit<< und ist nicht die einzige. Der Ort hatte eine unbeschreibliche Anziehungskraft auf Künstler, wie zum Beispiel auf die Schriftsteller Freidrich Torberg, Robert Neumann – ein Freund der Familie -, Hermann Broch oder heute Barbara Frischmuth und viele andere mehr. Das Fahrrad von Theodor Herzl im Ortsmuseum legt von dieser Verbundenheit Zeugnis ab.

 

            Circe ein Drittel ihrer oft groflächigenÖlgemälde setzen sich mit dem Ort Altaussee auseinander, im Wesen jedoch alle. >>In Aussee habe ich das Sehen gelernt. Die Strukturen der Berge wurden meine Formensprache. Auch wenn-ich nicht über Altaussee male, sind die Formen dieselben.<< In der Trisselwand hat sie ihren Lehrmeister gefunden: für Charlotte Lichtblau ist dieser Berg eine kubistische Angelegenheit.

 

            Drei Monate im Sommer, zu Neuujahr und zu Ostern fuhr ihre Familie mit Sack und Pack – Kisten voller Wäsche und Geschirr – nach Altaussee; die eigene Familie sowie die der Gromutter Lilli Ehrmann, einer Wiener Fürsorgerätin, und manchmal die ledigen Tanten, die für Aufruhr bei den Männern im Ort sorgten. So spielten sich viele Liebesaffären zwischen den Wienerinnen und der Ortsbevölkerung ab. Gromutter war skurril, lud manchmal vorbeigehende Leute ein und liebte groe Gesellschaften. Zwei Dienstmädchen konnten der Liebe zu Aussee auch nicht widerstehen. Die heigeliebte Mitzi heiratete einen Ausseer und betreute nach 1945 einen ortsbekannten Nazi bis zu dessen Tod. Man spürte ohnehin genau, wer die Juden aus Wien nicht mochte. Kurze Zeit ging Charlotte hier sogar die Volksschule und hat jetzt noch immer Bekannte aus der Schulzeit. >>Ich konnte nie verstehen, warum man nach Wien zurückkehren mute.<< Schon als Kind war sie fasziniert von den ins Heidnische zurückreichenden Bräuchen, den Seefesten, den Sonnwendfeiern, den Legenden. Eine davon erzähltvom Teufel, der in einer Höhle der Trisselwand wohne, und für Kinder wohnte er eben wirklich dort. Alle diese mythologischen Gescheichten schufen eine tiefe Ortsverbundenheit, eine Verbundenheit durch Angst und Faszination. Im Gemälde >>Auferstehung<< setzt sie sich mit diesen Polaritäten auseinander.

 

            Selbst religiose Juden, wie ihr Grovater, fuhren vor 1938 dorthin, ein Ding der Unmöglichkeit für orthodoxe Juden heutzutage. Die anderen, die assimilierten Juden, suchten nach Ersatz für die verlorene Religion, waren fasziniert von der bodenständigen Kultur, die sie zumindset in ihrer Trachtenkleidung imitierten, waren angezogen von den Jahrhunderte zurückreichenden Bräuchen, die damals noch lebendig und nicht zu Brauchtümelei und Folklore verkümmert waren.

 

            Die Geister, von denen die Legenden erzählten, hat sich Charlotte Litchtblau nicht real vorgestellt, gesehen hat sie erst welche, als sie mit ihrem späteren Mann John kurz nach dem Kreig durch deutsche Wälder fuhr. >>Dort hab ich sie wirklich gesehen, ganz konkret, real, wirkliche Geister. Ich hab solche Angst gehabt!<< Auch Aussee ist für sie nun mit diesen Geistern bevölkert, den Opfern der Nazizeit. >>Stones that know<< bzw. >>Wissende Steine<< nannte sie eines ihrer Bilder. 

 

>>Ich schau auf meine Arbeit und mu über die Quantität der Ausseer-Thematik lachen, sie ist wirklich beängstigend<<, meint Charlotte Lichtblau selbstironisch. Ihre Eltern schickten sie in New York auf ein College, damit sie Modezeichnen lerne. Wegen ihrer Begabung erhielt sie per Stipendium ein Atelier zur Verfügung gestellt, in dem sie sofort ein groBformatiges Bild über Aussee mit einem gigantischen Enzian malte! Charlotte Lichtblau bekommt einen Lachanfall, es sei eine >>obsession<<. Aber sie habe sie verabeitet. Schon im Kreig begann sie über Aussee zu malen, denn es war ihr ein elementares Bedürfnis. Den Ort wollte sie sich nicht nehmen lassen, auch night durch Vertreibung, deswegen mute sie ihn in ihren Bildern markieren. Und sie wollte den Ort auch ganz verstehen.

 

In der Kunst gehe es immer um die Spannung von Spezifischem und Universellem. Und Altaussee ist aleine auf Grund seiner Topographie einzigartig: umschlossen von den Bergen, abgeschieden von der bedrohlichen äueren Welt. Das Universelle hingegen liegt etwa in der Verbindung der Menschen zu alter Mythologie oder auch in der Spannung zwischen topographischer Geborgenheit und realer Bedrohung.

 

>>Wenn man wüte, wie man zu einem Bild kommt, dann würde man’s nicht malen.<< Wie Kinder sieht sie die Berge als anthropomorphe Wesen. In Aussee komme der Ansto zu vielen Bildern von auen, und dies sei leichter zu bearbeiten, eine Bereicherung eben. Viel schwieriger seien die konzeptuellen Arbeiten, die metaphysischen, denn die kommen von innen und erfordern eine Auseinandersetzung mit der Form, den Strukturen, der Farbgebung und dem Inhalt bis hin zur Erschöpfung.

            

Zuletzt malte sie im Sommer 1997 in Altaussee. Lachend meint die in der Upper Westside von Manhattan lebende Malerin: >>Ich komm öfter nach Aussee als nach Brooklyn. Wenn ich einmal in der Woche nicht über Aussee träume, stimmt was nicht.<< Das Wegfahren von ihrem Mittelpunkt der Welt fällt nun noch viel schwerer als damals, als sie noch ein Kind war. Im Exil wurde die Ausseer Krankheit noch schmerzhafter. Schon am Pötschenba bittet Charlotte Lichtblau ihren Mann: >>Dreh einen Rock & Roll auf und schau mich nicht an.<<

 

 

 

 

>>The Center of the World<<

Altaussee in the Work of the Vienna-Born New York Paintress Charlotte Lichtblau

Certainly not a unique fate: Born in Vienna in 1925, an assimilated Jewish family, spending the summer, winter, and Easter holidays in Altaussee year after year, driven out of her homeland and flight in 1938, at last a refuge in New York – that, in short, is the life of an art historian and paintress Charlotte Lichtblau.

She is acutely suffering from the >>Ausseer Krankheit<< - the >>Aussee Malady<< - and she is not the only one. This quant place in the Salzkammergut radiates an incredible attraction for artists. Writers like Freidrich Torberg, Robert Neumann – an old friend of the family -, Hermann Broch, or, in our day and age, Barbara Frischmuth, and many others came under its spell. Approximately one third of her large-plane oils portray the township of Altaussee, but actually all of them have this special >>Altaussee<< flavor.

When still a child, Charlotte Lichtblau was fascinated by folk customs dating back to pagan times, by the festivals on the lake, the >>Sonnwendfeiern<< [midsummer festivals], and the ancient legends. All of these mythological tales and traditions evoked in the artist a profound bond to the topos, a bond generated by both fear and fascination. In her canvas >>Resurrection<<, she is facing these polarities. In her childhood, Charlotte Lichtblau did not regard the spirits of whom the legends told as >>real<<. She recognized them only later when, with her husband John, she drove through German forests shortly after the war. For her, Aussee, too, is populated with these haunting ghosts, the victims of Nazi terror. >>Stones That Know<< she called one of her paintings.

Most recently, Charlotte Lichtblau painted in Altaussee in the summer of 1997. >>I come to Altaussee more frequently than to Brooklyn. If even for one singe week I do not dream of Aussee, I know there is something wrong with me.<<

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